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Peter Stamm - Agnes, #3


"Wir denken, wir leben in einer einzigen Welt. Dabei bewegt sich jeder in seinem eigenen Stollensystem, sieht nicht rechts und links und baut nur sein Leben ab und versperrt sich mit dem Schutt den Rückweg." [der Erzähler zu Agnes]

S. 127


 
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Peter Stamm - Agnes, #2


Georges Seurat - Un Dimanche d'été à l'Ile de la Grande Jatte

Wir gingen ins Art Institute of Chicago und suchten, ob wir ein Nebel- oder Rauchbild fänden oder ein Bild von glücklichen Menschen. Vor Seurats Un Dimanche d'été à l'Ile de la Grande Jatte blieben wir lange stehen. Seurat hatte keine glückliche Menschen gemalt, aber das Bild strahlte eine Ruhe aus, die dem was wir suchten am nächsten kam. Es zeigt ein Flußufer an einem Sonntagnachmittag. Spaziergänger sind da, und hier und da auf der Wiese, zwischen den Bäumen, ruhen sich Menschen aus. Als wir näher traten, zerfiel das Bild vor unseren Augen in ein Meer von kleinen Punkten. Die Konturen verschwammen, die Flächen flossen ineinander. Die Farben auf dem Bild waren nicht gemischt, sondern zusammengesetzt wie auf einem Gobelin. Es gab kein reines Weiß und Schwarz. Jede Fläche enthielt alle Farben und wirkte erst aus der Distanz als Ganzes. "Das bist du", sagte ich und zeigte auf ein junges Mädchen, das im Mittelgrund des Bildes auf der Wiese saß und einen Blumenstrauß in der Hand hielt. Es saß aufrecht, aber es hielt den Kopf gesenkt, um die Blumen zu betrachten. Neben ihm lag ein Hut und ein Sonnenschirm, die es nicht brauchte, da es im Schatten war. "Nein", sagte Agnes, "ich bin das Mädchen im weißen Kleid. Und du bist der Affe." "Ich bin der Mann mit der Trompete", sagte ich, "aber niemand hört mir zu." "Alle hören dich", sagte Agnes. "Man kann die Ohren nicht schließen."

S.67/68


 
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Peter Stamm - Agnes, #1


"Bist du jemals die Treppe hinaufgegangen?" fragte Agnes. "Nein", sagte ich, "warum sollte ich?" "Woher weißt du dann, daß du wirklich in der siebenundzwanzigsten Etage wohnst?"

S. 48

translation: Agnes asked "Did you ever go up the stairs?" "No", I said, "why should I?" "How do you know then that you really live on the twenty-seventh floor?"


 
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Povero Pavese


What an asshole a man is with his enormous red exposed dick, tense and palpable, ejaculating in the presence of God and you can see it spitting out and falling back and going slack! Then the female sex looks like a mouth mocking him. He does everything outside, in the light of day; but you've got to penetrate a woman, rummage in there, and everything happens in her bowels in the roots of her flesh.

Probably from his diary The Business of Living (Italian original: Il mestiere di vivere: Diario 1935–1950)

I stole this from Tim Parks' great review The Outsider's Art of several books by and on Cesare Pavese in the latest, 40th anniversary issue of the New York Review of Books which is fully online (via FraFuchs weblog). It seems that Pavese's suicide (when 42 years old) had a lot to do with his lack of success with women. On the other hand I find his perspective on sex rather intriguing. As it cannot be dismissed totally. In its lust hostile consequences it is pretty close to the Christian stance but the reasons are different. I don't think that it has anything to do with shame or sin in Pavese's case (he was a communist by the way). It is more envy of all the couples who have good sex. He tries to ridicule something he can't have which he wants to have so desperately. There is a ressentiment feeling going on here. And he tries to turn it around. He who is a complete failure in bed is morally superior as he sees through the banality and ridiculousness of sex. And he takes much more the piss out of the males than the females in his small description of the act of physical love. As they are his rivals and successful whereas he isn't. In a way he isn't an adult man as he doesn't sleep with women and therefore he is not risible.


 
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Erstens kommt es anders und zweitens als mann denkt


Milan Kundera erzählt in Verratene Vermächtnisse (im Original Les Testaments trahis) eine Passsage aus Thomas Mann’s Joseph und seine Brüder über die ich heute morgen in der S-Bahn ganz schön schmunzeln musste:

Wie etwa die Geschichte von Potiphars Weib und Joseph, sie toll vor Liebe, beißt sich in die Zunge und spricht ihre verführerischen Worte dann lispelnd aus wie ein Kind, „slaf bei mir, slaf bei mir“, während der keusche Joseph der Lispelnden drei Jahre lang Tag für Tag geduldig erklärt, daß es ihnen verboten sei miteinander zu schlafen. Am schicksalhaften Tag befinden sich die beiden allein im Haus; sie insistiert einmal mehr, „slaf bei mir, slaf bei mir“, und er erklärt ihr nochmals, geduldig, pädagogisch, die Gründe, weshalb sie nicht miteinander schlafen sollten, doch während dieser Erklärung bekommt er eine Latte, er bekommt, mein Gott, eine so phantastische Latte, daß Potiphars Weib bei diesem Anblick völlig verrückt wird und ihm das Hemd vom Leib reißt, und als Joseph davonläuft, um sich zu retten, immer noch mit seiner Latte, fängt sie an zu schreien, verstört, verzweifelt und entfesselt, sie ruft um Hilfe und beschuldigt Joseph, er habe sie vergewaltigen wollen.

 
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Neal and Jack and Michelle


There was no place whatsoever for a woman in the life and the world that Jack Kerouac described. And women were not going to be invited into it. So it's sort of like crashing the party. I know I'm here unwelcome and I'm going to rewrite this history so I can be a part of it.

Michelle Shocked on the cover of one of the two CDs with alternate takes of the Texas Campfire Tapes from 1986


 
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Das war's


Das letzte Kapitel

Am 12. Juli des Jahres 2003 lief folgender Funkspruch rund um die Erde: daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest, daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften, sich gar nicht anders verwirklichen läßt, als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck. Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben. Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck. Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort und vollbrachten, rund um den Globus sausend, den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten. Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald. Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten. Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen. Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer. Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen. Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben. Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus. Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben. Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten. Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt. Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten, unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte. Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human. Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte, völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.

Erich Kästner

Robert Gernhardt schreibt heute über dieses brandaktuelle Gedicht in der FAZ.


 
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Lob der Ferne


Im Quell deiner Augen leben die Garne der Fischer der Irrsee. Im Quell deiner Augen hält das Meer sein Versprechen.

Hier werf ich, ein Herz, das geweilt unter Menschen, die Kleider von mir und den Glanz eines Schwures:

Schwärzer im Schwarz, bin ich nackter. Abtrünnig erst bin ich treu. Ich bin du, wenn ich ich bin.

Im Quell deiner Augen treib ich und träume von Raub.

Ein Garn fing ein Garn ein: wir scheiden umschlungen.

Im Quell deiner Augen erwürgt ein Gehenkter den Strang.

Paul Celan in Mohn und Gedächtnis


 
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Einsam und allein


Einsam und allein Einsam ist ja noch zu leben Hier ein Ich und dort die anderen Kann durch die Alleen wandern Und auf Aussichtstürmen schweben

Einsam ist noch nicht allein Hat noch Augen, Ohren, Hände Und das Spiel der Gegenstände Und die Trauer, da zu sein Doch allein ist alles ein Ist nicht da, nicht dort, nicht eben Kann nicht nehmen oder geben Leergelebt und allgemein

Dieter Leisegang (1942-73)


 
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Meike Winnemuth/Peter Praschl – Auf und davon


Ich habe dieses Buch der beiden AMICA-Redakteure, die auch privat ein Paar sind, geradezu verschlungen. In der S-Bahn zur bzw. von der Arbeit hätte ich gelegentlich fast meine Ausstiegsstation verpasst, so hat mich dieser leicht und locker geschriebene Roman über die fürs Fernsehen inszenierte Weltreise eines Mannes und einer Frau, die sich in einer Singlesshow durchgesetzt haben, gefesselt. Das Buch ist wesentlich interessanter als die kreuzlangweiligen Fernsehshows, die Pate gestanden haben. Praschl und Winnemuth schreiben mit der aus ihrer Doppelpack-Kolumne bewährten Methode: ein Kapitel von ihr und das Nächste von ihm. Hierdurch werden die Perspektiven beider Geschlechter und besonders die psychologischen Aspekte berücksichtigt. Zudem kennen sich beide Autoren recht gut mit Trends und Moden aus und lassen dieses Wissen auch ins Buch einfließen ohne dass es zu sehr nervt. Es ist von vorneherein klar wie die Geschichte enden wird, aber das macht überhaupt nichts, die Spannung zwischen den Geschlechtern wird ziemlich lange durchgehalten. Einziger winziger Kritikpunkt: als es dann so kommt wie es kommen muss, wird noch ein Weilchen weitererzählt obwohl die Luft wirklich völlig raus ist.


 
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