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Bachmannpreis, letzter Lesetag


Ganz klar der beste Text für mich dieses Jahr war Eine halbe Stunde noch von Björn Kern. Die abgehobene Jury, die völlig hinterm Mond lebt in ihrem ästhetischen Wolkenkuckucksheim mit der einzigen wahren Erzählperspektive und dem hippen PeterLichtSoLustigFinden, hat es nicht gemerkt. Hat die Augen geschlossen vor dem sehr plastisch und einfühlsam geschilderten Horror des körperlichen und geistigen Verfalls eines Menschen weil sie den Blick darauf nicht aushalten konnte? Bis auf Karl Corino und Klaus Nüchtern. Wenn wie hier Realität und Literatur zusammenstoßen und es kracht: genau da interessiert mich Literatur.

Mal ganz im Ernst, der Jury sollte man wirklich ein Ticket für einen Trip auf die dunkle Seite des Mondes spendieren. Da könnten sie dann soviel sie wollten eitel und distinktionsbedürftig abstrakt über Formales herumschwadronieren ohne dass es jemandem wehtun würde. Die haben jeglichen Bezug zur Realität verloren. In die gleiche Kerbe (wie ich) schlagen übrigens auch noch andere Blogger. Hella Streicher zum Beispiel.


 
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Bachmannpreis


Jochen Schmidt's Kosmonautentext war sehr gut, wird aber leider nicht den Hauptpreis gewinnen, ganz ganz vielleicht den Publikumspreis.

Von Peter Licht hatte ich nichts erwartet. Er hat nichts abgeliefert. In einer banalen, lieblosen Alltagssprache schreibt er langatmig über Dinge, die es gar nicht gibt. Ein bisschen dunkler Humor blitzt auf, aber das Ganze ist eine reine Hirngeburt, körperlos und seelenlos. Mehr dada und weniger nada wäre besser gewesen. Unglaublich die enthusiastische Reaktion der meisten Kritiker (bis auf Rakusa und Corino). Merken die denn nicht, dass sie wie schon letztes Jahr wieder verarscht werden? Eine nichtssagende, hohle Eloge von Nüchtern, die sich wie eine Selbstkarikatur als Literaturkritiker anhört. Radisch et al. stimmen ein in den Jubelchor. "Ihr habt se doch nicht mehr alle an der Latte" möchte man dazwischenrufen. Peter Licht, der natürlich von Anfang an bei mir verschissen hatte weil er sich nicht traute, sein Gesicht in die Kamera zu halten. Scheint eine Masche bei ihm zu sein (bei dem nicht lustigen Komikerschmidt scheint er dasselbe gemacht zu haben), davon wird es aber um keinen Deut besser.

Dass, glaube ich, alle Kritiker in Jochen Schmidt's Text einen Astronauten als Ich-Erzähler identifiziert haben, hat mich auch ziemlich überrascht. Wegen der kleinsten sprachlichen Unebenheiten machen sie Zwergenaufstände, aber sie können noch nicht mal zwischen Amerikanern und Russen unterscheiden. Arme Kritikerzunft. Bei dem jungen Mangold stören mich seine ausgeprägten Showmanfähigkeiten und sein Hang zu literaturtheoretisch verbrämter Originalität. Hört sich oft interessant an, geht aber häufig völlig am Text vorbei. Z.B. beim Stavaric. Der wahrscheinlich mein Lieblingstext bisher war, knapp vor Jochen Schmidt. Interessant, dass ein gewisser Frauentyp, u.a. die Radisch, auf diesen Text so überhaupt nicht steht. Frage mich politisch inkorrekt, ob dieser Frauentyp schon mal guten Sex gehabt hat. Das ist der Svende Merian-Typ. Zur Info: es geht um eine Frau zwischen zwei Männern, um Sex, um imaginierte Gewalt (von Mann zu Mann, angestachelt durch die Frau) und um den Palmdieb, ich glaube, das ist ein Tier, das es wirklich gibt (nach Corino).


 
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Bin ja mal gespannt auf Klagenfurt ab morgen bzw. heute. Besonders auf Jochen Schmidt. Glaube nicht, dass er gewinnen wird, aber meinen Lieblingstext könnte er schon vorlesen. Von Peter Licht erwarte ich absolut nichts. Von den anderen habe ich noch nie gehört.


 
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synchronisation


yesterday morning in the suburban train i started reading salinger's nine stories. the stories are perfect for my ride to frankfurt. the train takes 18 minutes. to read one story takes about the same time. the first story, a perfect day for bananafish immediately grabbed me. there are only few authors who are able to write in an easy, everyday language and they hit it. salinger is one, camus another, hemingway and carver come to mind too. this story reminded me most of brautigan though. there is a fantasy at work there, a surreal lucidity hidden in the mundane. when i arrived at the main station i had just finished the last phrase and i was shocked. the smile on my face which had been there from the first sentence on was gone. i wasn't prepared for the end. i had been enchanted so much that i didn't anticipate something bad could happen. though it was clear from the beginning on. but salinger had weaved a web of hope i got caught up in. maybe that is the art of writing. to get the reader so much immersed into the fiction that he forgets everything about logic and common sense.


 
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habe übrigens tim krabbés das rennen gerade angefangen. ich erinnere mich an kein buch, dass mich so gepackt hat seit der new york trilogy. und das ist schon wieder 15 jahre her. wobei das rennen schon 29 jahre alt ist. gibt es heutzutage eigentlich noch bücher, die einen packen?


 
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Nahtoderfahrung


In dem zweiten Essay, Der eigene Tod, beschreibt Nádas genau das: seinen eigenen Tod. Was unmöglich scheint, gelingt ihm unter anderem durch eine – mir bislang unbekannte und bis jetzt unbegreifliche – Form der Genauigkeit der Beobachtung, Wahrnehmung und schließlich Beschreibung von Erlebnissen, Erfahrungen, Abläufen, Geschehnissen, Verhaltensweisen und den Prozessen, die dazu, gleichsam parallel, also gleichzeitig und begleitend, im Bewusstsein abgelaufen sind, bis hin zu dem Moment, an dem das Bewusstsein seine Haftung, seine körperliche Bindung verliert und etwas beginnt, was »Tod« genannt wird. Nádas war im Alter von einundfünfzig Jahren tatsächlich gestorben. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Er wurde wiederbelebt. Die Spuren der Wiederbelebung, Rippenbrüche, Brandwunden et cetera, sind so schmerzhaft wie unübersehbar, aber doch Lappalien im Verhältnis zu dem, was er in der Zeit sozusagen erlebt hatte, als er zwischen Leben und Tod war.

[Martin Lüdke in seiner Besprechung von Peter Nádas Behutsame Ortsbestimmung in der Zeit]


 
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Proust und die Recherche in a nutshell


Wehe, wenn das Mögliche zum Wirklichen wird, dann verliert man ja völlig die Kontrolle. Der Satz bringt meinen tiefen inneren Widerwillen gegen Proust und seine Ergüsse auf den Punkt.


 
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Handke Schmandke, der die Gnade der späten Geburt nutzt, um mit 60+ toten Diktatoren vom Balkan nachzurennen, lässt jetzt auch noch einen Empörungsfurz zu Grass fehlgeleiteter Jugend ab. Das hat bestimmt wehgetan im Arsch, den so lange zu unterdrücken. Der kam von ganz weit innen, sozusagen ein Heideggerpups.


 
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Last night I watched this 27 minute documentary about Jack Kerouac (thank you kingblind). They are all there. Neal Cassady, Edie Parker Kerouac (Jack's first wife), Carolyn Cassady (Neal & Jack & Me), Allen Ginsberg, John Clellon Holmes, Gregory Corso, Michael McClure, William Burroughs, Gary Snyder and Jack himself on that TV show with William Buckley Jr. a year before his death where he is succeeding in being the most drunk person which has ever appeared on television. When he reads it's magic though. The melody, the flow. Everything he has written has to be read aloud. It's music to my ears.

Some quotes:

After he wrote the book Neal wouldn't talk with him. I think that Neal became the character of the book. I think it was forced upon him and I think that's what killed him. (Edie Parker Kerouac)
Neal Cassady was the individual American. The prototype that contained Americana. (Gregory Corso)
So there are a lot of things in his books where I can see him putting on that macho trip which was so foreign to him. So then he meets Neal who was just so naturally gracefully macho. (Carolyn Cassady)
Everything was second in his life to writing. (John Clellon Holmes)
I have never heard such language as Jack used on his mother and his mother used on Jack. (Allen Ginsberg)
"You are the only woman I ever wanted to marry mum." (Ann Charters)
Joy and suffering at a certain point become one taste. ... The suffering of existence which is so deep that it is joyful. (Allen Ginsberg)

 
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Mehr Beckettiaden


Geklaut aus der aktuellen Zeit:

Im Godot weint Lucky so lange, bis er Estragon gegen das Schienbein tritt und ihn zum Weinen bringt, Pozo kommentiert die Szene:

Er weint nicht mehr.

Zu Estragon: Sie haben ihn sozusagen abgelöst.

Träumerisch. Die Tränen der Welt sind unvergänglich. Für jeden, der anfängt zu weinen, hört ein anderer irgendwo auf.

***

Horst Bollmann (Estragon in der berühmten Inszenierung im Berliner Schiller-Theater 1975):

... Mein erster Monolog war: "Ein Körnchen kommt zum anderen, eins nach dem anderen, bis der Haufen entsteht, der unmögliche Haufen." Tja was heißt "der unmögliche Haufen"? - Das ging zurück auf den Philosophen Zenon: Körnchen kommt zu Körnchen, aber ein Haufen wird es nie. Beckett sagte mir: Es ist wurscht, ob das jemand versteht, aber es muss gesagt werden.

***

Auf die Frage, warum sie [die Beckettschen Figuren] nicht aufhören zu leben, antworten sie:

Ach, ich habe schon daran gedacht. Aber ich bin nicht unglücklich genug. Das war immer mein Unglück.

 
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