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Ich bin ein Flachländer


Unbestrittener Höhepunkt unserer Kretareise war der Aufstieg zum Gíngilos, einem 2080 m hohen massiven blaugrauen Kalksteinberg im westlichen Ausläufer der Lefká Óri (Weiße Berge), der sich südlich über die Omalós-Hochebene erhebt. Obwohl die klimatischen Bedingungen optimal waren; der Himmel war wolkenlos und es wehte kaum Wind; stand für mich persönlich diese Besteigung unter einem ungünstigen Stern: ich hatte in unserer Wegbeschreibung gelesen, dass es am Ende eine kleine Kletterstrecke über Felsplatten geben würde, die Trittsicherheit und etwas Schwindelfreiheit voraussetzen würde. Psychologisch war diese Vorinformation denkbar ungünstig, da Höhenangst neben Klaustrophobie für mich der ultimative Alptraum ist.

Startpunkt war Xylóskalo (1229m), von wo auch der Abstieg zur Samariá-Schlucht beginnt, die nach unseren letzten Informationen vor Ort erst gestern aufmachen sollte und damit unsere ursprüngliche Reiseplanung etwas durcheinanderwirbelte. Von Xylóskalo ging es erstmal ca. 500 Meter bergauf auf einem bis auf eine kleine Verwerfung sehr gut ausgebauten Weg. Am Felsentor erreichten wir den ersten Punkt, an dem ich Zweifel bekam, ob ich die Wanderung bis zum Ende durchstehen würde. Der Weg wurde sehr schmal (ca. 50 cm) und links ging es steil bergab. Ich klammerte mich rechts an den Felsen und passierte diesen Bottleneck, indem ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte ohne auch nur den geringsten Blick nach unten zu riskieren. Kurz nach dem Felsentor ging es erstmal knapp 100 Höhenmeter bergab bevor an einer Zypresse der eigentliche Aufstieg begann. Etwas weiter machten wir an der Linoséli-Quelle die erste hochwillkommene Rast. Anschließend ging es auf einem immer schwieriger zu erkennenden Weg bergauf. Wir mussten einige kleinere Schneefelder durchqueren, die aber glücklicherweise bereits von einer Gruppe vor uns durchquert worden waren, so dass es tiefe Fußstapfen gab, in die man hineinstapfen konnte. Nach einer Weile verfehlten wir den Weg und mein Vater kletterte voraus während ich große Mühe hatte ihm zu folgen: bei jedem Schritt nach oben rutschte ich fast einen Schritt nach unten. Es stellte sich heraus, dass es hier nicht weiterging und nachdem ich greenhornmäßig einige Steine losgetreten hatte, die nach unten kollerten, befanden wir uns wieder auf dem Weg und konnten auch seine Fortsetzung durch ein weiteres Schneefeld erkennen.

Wir kamen dann zu dem Bergsattel zwischen dem Gíngilos und dem niedrigeren Nachbarberg Psiláfi, an dem auch der z.T. wirklich erbärmlich ausgeschilderte E4-Wanderweg nach rechts abgeht. Besonders windig war es wie gesagt nicht hier obwohl die Beschreibung Hinweise in diese Richtung gegeben hatte. Wir sahen über uns ein Kreuz und gingen in dessen Richtung, da sonst auf den ersten Blick keine Wegmarkierungen zu sehen waren. Es stellte sich heraus, dass das Kreuz nicht am Weg lag. Es war vielmehr ein memento mori. Unterhalb des Kreuzes war ein Schacht zu einer Höhle, in den mindestens zwei Menschen bereits hineingefallen waren. Inzwischen war dieser Schacht zwar umzäunt, aber spätestens hier verließ mich jeglicher Bergbesteigungswille, da es außerdem nicht weiterzugehen schien. Wir gingen also wieder zurück zum Sattel und ich war fest entschlossen dieses Bergabenteuer jetzt sofort abzubrechen. Am Sattel angekommen, hatte ich mich wieder etwas angefangen und wir starteten einen zweiten Anlauf. Unsere Wegweiser waren hauptsächlich die Steinmännchen (ich muss irgendwann mal eine Ode an diese poststeinzeitlichen Steinfiguren schreiben), aber auch die rot markierten Felsen, die uns den Weg zum Gipfel wiesen. Nach kurzer Zeit trafen wir ein junges deutsches Pärchen, das etwas in Eile war (der Bus zurück wartete nicht). Sie übergewichtig, er rank und schlank und in Sandalen. Ich musste an mich denken, wie ich Mitte der Achtziger in Birkenstocksandalen irgendwie den Stromboli hinaufgekraxelt war. Und gleichzeitig wurde mir klar, dass die Leichtsinnigkeit negativ mit dem Alter korreliert. Anyways die beiden schmaßen den weiteren Aufstieg, um ihren Bus zu kriegen, obwohl der Rest eigentlich ein Kinderspiel war.

Oben an der Steinpyramide am Gipfel trafen wir ein französisches Pärchen. Sie war aus Toulouse und erzählte uns, dass sie in dem Hotel gegenüber dem Unsrigen übernachteteten, wo nur Italiener und Franzosen nächtigten. Laut ihrem Reiseführer war unser Hotel besser. Bei uns waren praktisch nur Deutschsprachler. Seltsame natürliche Sprachtrennung.

Der Abstieg war viel leichter als erwartet. Die Stellen, bei denen ich beim Aufstieg wirklich Schiss gehabt hatte, waren plötzlich nur noch banal. Und trotzdem wäre ich im Schlussteil fast noch gestrauchelt. Jedoch eher wegen Übermüdung und Monotonie als aus Übermut. Im Endeffekt ein Gipfelsturm, den ich wirklich empfehlen kann. Dauer mit Pausen und Irrläufen ungefähr 7 Stunden.

(Bilder auch in den Kommentaren)


 
 
Gíngilos von Xylòskalo Blick auf den Gíngilos von Xylóskalo. In Wirklichkeit viel imposanter.

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Felsentor. Erster Point of No Return. Felsentor. Erster point of no return.

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Linoséli-Quelle. Labsal. Linoséli-Quelle. Labsal.

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Blick auf die Omalós-Hochebene vom Gipfel des Gíngilos aus. Blick auf die Omalós-Hochebene vom Gipfel des Gíngilos aus. Links oben sieht man in der Ferne Kolimbári.

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Blick von der Linoséli-Quelle hinunter zur Samariá-Schlucht. Tele-Blick von der Linoséli-Quelle hinunter zur Samariá-Schlucht.

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Xylóskalo. Orientierungsplan. Xylóskalo. Orientierungsplan.

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