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[philosophy]

Wie die gute Seele Adorno mal auf das Luder Bloch reinfiel


Aus der neuen über tausendseitigen Adorno-Biografie von Stefan Müller-Doohm:

Seinen Eltern gegenüber verschwieg Adorno auch nicht eine für ihn im höchsten Grade unangenehme Angelegenheit, die Ernst Bloch betraf.(623) Dieser hatte sich mehrfach an Horkheimer mit der Bitte gewandt, durch Forschungsaufträge eine institutionelle Absicherung und finanzielle Förderung durch das Institut zu erhalten.(624) Der Institutsdirektor hatte stets eine reservierte Haltung gegenüber dem Autor des berühmten Buches Geist der Utopie, die noch durch dessen Verteidigung der stalinistischen Säuberungen verstärkt worden war. Nun hatte sich Bloch im September 1942 mit einem im Ton verzweifelten Brief an Adorno gewandt,(625) in welchem er seine aktuelle materielle Misere in dramatisierender Weise darstellte: "Als Tellerwäscher bin ich entlassen, weil ich mit dem Tempo nicht mitkam. Zähle und bündle jetzt Papiere, verschnüre sie und bringe sie auf einen Wagen. Acht-Stunden-Tag. Macht mit Hin- und Rückfahrt und einer Stunde Mittagspause elf Stunden, bis ich wieder nach Hause komme. Von irgendeiner Art eigener Arbeit ist, wie sich versteht, keine Rede mehr." War es blinde Naivität oder extremes Mitgefühl, daß Adorno diese Schilderung wörtlich nahm? Tatsächlich war der marxistische Philosoph niemals Tellerwäscher, und er hat auch nie Pakete gepackt. Aber Adorno war fest davon überzeugt, daß Bloch, zu dem er und seine Frau ein freundschaftliches Verhältnis pflegten, umgehend geholfen werden müsse. Unabhängig von der vorübergehenden Unterstützung durch das Institut, für die er sich eingesetzt hatte, veröffentlichte Adorno nach Rücksprache mit Horkheimer einen Spendenaufruf im Aufbau zugunsten von Bloch. In seinem kurzen Artikel brachte er nicht nur eine Darstellung der Grundideen der Blochschen Philosophie ("die Entfremdung von Subjekt und Objekt zu überwinden ", "das messianische Ende der Geschichte: [. . .] die unbedingte buchstäbliche Abschaffung von gesellschaftlich-natürlichem Leid"), sondern schrieb unter anderem: "der Theolog der Revolution konnte sich nicht anpassen, und das wird von denen, die die Arbeitsplätze zu vergeben haben, so wenig verziehen wie von den Intellektuellen [. . .]. Seine Beziehung zum Papier ist endlich realitätsgerecht geworden. Er bündelt es, acht Stunden am Tag in einem dunklen Loch stehend. Dem Konzentrationslager ist er entronnen, auf daß man ihm die Mucken draußen austreibe. [. . .] Die Emigration ist ihm den Dank schuldig geblieben.Wie einem Sündenbock hat sie all ihr Elend einem aufgeladen, der mit wenigen anderen jenes Deutschland repräsentiert, dem in der Tat Hitlers tödlichster Haß gilt."(626) Daraufhin erklärte Bloch in einem offenen Brief in der Exilzeitschrift, daß er den Autor des Aufrufs in keiner Weise dazu inspiriert habe. Zugleich verwahrte er sich Adorno gegenüber gegen derartige Initiativen in "jener falschen Öffentlichkeit ". Er betonte: "Ich kann mich auch nicht als Sündenbock ansehen, dem die Emigration all ihr Elend aufgeladen hat. Es gibt viele Tausende, denen es ebenso wie mir und schlimmer geht."(627) Durch diesen unglücklichen Vorfall kam es zum Zerwürfnis zwischen Adorno und Bloch, das über zwanzig Jahre andauern sollte. Im Brief an seine Eltern, kurz vor Weihnachten 1942 geschrieben, gestand Adorno die Blamage ein, die sein Aufruf und der Leserbrief für ihn bedeuteten. Er habe sich Bloch zum Feind gemacht.

(623) Vgl. Brief von Adorno an die Eltern vom 21.12.1942, Adorono, Briefe an die Eltern 1939-1951, 2003, S. 175. (624) Vgl. Horkheimer, Briefwechsel, GS 16, S. 413 ff. sowie Band 17, S. 334 f. (625) Vgl. Bloch, Briefe, Band 2, S. 443 ff. (626) Adorno, Für Ernst Bloch, GS 20.1, S. 190 ff. (627) Bloch, Briefe, Band 2, S. 446.


 
 

Oj. Haha. Na so ein Schweinehund, dieser Bloch. Aber auch lustig, wie begeistert und aufgeregt Adorno gleich ueber diesen ganzen Symbolismus mit dem Papier ist und so. In einem dunklen Loch stehend... Schmunzel schmunzel.

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