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Ergangene Gedanken


Heute morgen bin ich mal wieder mit der S-Bahn zur Arbeit gefahren. Das mache ich in letzter Zeit häufiger weil es viel interessanter ist als allein mit dem Wagen nach Frankfurt zu kutschieren. Um Abwechslung zu haben, fahre ich trotzdem normalerweise jeden zweiten Tag mit dem Auto. Dadurch bleibt das S-Bahnfahren was Besonderes und ich kann es bewußter genießen. Heute bei den frühlingshaften Temperaturen hätte ich eigentlich auch das Rad nehmen können, aber so stark hatte ich meinen inneren Schweinehund dann doch nicht im Griff. Es sind immerhin fast 15 Kilometer.

Na ja, auf jeden Fall steige ich am Hauptbahnhof aus, nehme den Ausgang Düsseldorfer Straße Nordseite (keine Ahnung, ob der so heißt oder ob der überhaupt einen Namen hat, auf jeden Fall kommt man da an die frische Luft) und schlendere gen Westen. Es gibt einen kürzeren, direkteren Weg, aber ich habe es morgens nicht so eilig ins Büro zu kommen und außerdem ist er stocklangweilig. Abends nehme ich den schnellen Rückweg dann übrigens doch. Da sieht man zu dieser Jahreszeit sowieso nichts mehr und da muss ich mich meist sputen, um die nächste S-Bahn nicht zu verpassen.

Wo war ich? Ach so, Düsseldorfer Straße stadtauswärts, rechte Seite. Der lange Weg hat übrigens noch einen Vorteil. Bis kurz vorm Platz der Republik ist er überdacht. Kam aber heute nicht zum Tragen, da es nicht geregnet hat. Irgendwie setzten sich meine Gehirnzellen in Bewegung und ich fragte mich wie so eine Konstruktion eigentlich heißt. Erste Idee Arkaden. Konnte aber nicht sein, da es keine Bögen gibt, oben ist alles gerade. Vielleicht eine Kolonnade? Kommt der Sache schon näher, aber zum einen sind da keine Säulen sondern nur Pfeiler zum Abstützen der Überdachung und zum andern auch nur auf der Seite zur Straße hin. Obwohl ich mich, wenn ich da langlatsche schon so etwas wie in einer Stoa fühle. Insbesondere heute. Wahrscheinlich hat das Ding überhaupt keinen Namen, ist ja auch im Grunde nur funktionale 60er Jahre-Architektur.

Kurz nach den zerebralen Kämpfen mit diesem Benennungsdefizit fällt mir etwas relativ Banales auf, was mich aber doch ziemlich überrascht. Der Bürgersteig ist nicht flach. Da laufe ich nun seit über 40 Jahren über Bürgersteige und habe noch nie so richtig bewusst bemerkt, dass Bürgersteige schiefe Ebenen sind. Ungefähr so schief wie der Turm von Pisa. Sie neigen sich zur Straße, zu den Gullies hin, auf dass das Regenwasser schön ablaufen kann. Als ich das heute morgen sah, ist mir fast schwindlig geworden. Frage mich nun welches meiner Beine länger ist. Sollte es das Linke sein, dann verstehe ich jetzt wieso ich intuitiv lieber auf rechten als auf linken Bürgersteigen laufe.

Über die möglichen Stationen am Rande dieses Zehnminutenwegs ein nächstes Mal. Nur soviel, sie sind ganz schön multikulti, wie man es für eine Stadt mit ungefähr 150 Nationalitäten eigentlich auch erwarten kann.


 
 

Ohne etwas verraten zu wollen oder vorzugreifen: An dieser Passage fasziniert mich immer wieder der afrikanische Markt mit palettenweise Hirse und Haarentkräuselungsmitteln. Direkt daneben (?) dann der etwas heruntergekommen aussehende Laden mit Pelzmänteln...

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Entgangene Gedanken

Lieber Alex,

Dein Problem sind nicht ergangene Gedanken, sondern nicht ergangene Wege und damit entgangene Gedanken.

Den Hauptbahnhof verlässt man normalerweise in Richtung Düsseldorfer Str. nicht über die B-Ebene (es sei denn, man möchte ein paar Junkies auf der Treppe am Ausgang der B-Ebene besichtigen).

Richtig ist der VorGANG nämlich so: In Deine S-Bahn von Eschborn nicht vorn sondern in der Mitte einsteigen. Dann landest Du am Hbf an einer Rolltreppe, die Dich zur echten (ebenerdigen) Bahnhofsebene führt. Dort gehst Du zum Nordausgang (der heißt so und ist so auch beschriftet) und überquerst die Straße.

Jetzt stehst Du vor Gleis 25 (logischer Name, weil das Gleis vorher Gleis 24 ist). Dort kannst Du Dich bei Bedarf etwas erfrischen und triffst interessante Leute beim Frühbier. Hier werd ich etwas nostalgisch, weil es mich an Rick's Cafe (Elbe-/Ecke Taunusstr., Du weisst schon) erinnert, und Rick's Cafe gibt's leider nicht mehr. Siehe auch:

www.dooyoo.de

Neben Gleis 25 ist dann Richtung Düsseldorfer eine Mischung aus Kiosk, Internet Cafe, internationales billiges Telefonieren etc., betrieben von einer indischen oder pakistanischen Familie. Morgens bedient fast immer ein wunderhübsches, immer sehr freundliches junges Mädchen. Leider zu jung um überhaupt dran zu denken, sogar Tagträume muss man sich hier verbieten. Dort krieg ich meine Gauloises und Gitanes ohne, Deinen blöden roten Tabak werden Sie auch haben. Flasche Jever (0,5) 1,30€, Flaschenöffner hängt an einem Seil neben der Kasse.

Einmal hab ich meine gekauften Gitanes dort liegen lassen, dachte aber später (ich hatte noch ne halb volle Packung) ich hätte Sie irgendwo im Bürochaos untergearbeitet oder sonstwie verschlampt. Ein paar Tage später war ich wieder in dem Laden, nach der üblichen lächelnden gegenseitigen Begrüßung und meiner üblichen Bestellung fragte Sie mich etwas schüchtern, ob ich neulich meine Gitanes hier liegengelassen hätte. Als ich nach kurzem Stutzen mich an eine vermisste Packung erinnerte und dies sagte, strahlte sie wie die Sonne im Mai. Akzentfrei "Ach, da bin ich aber froh, ich habe mir schon solche Sorgen gemacht, weil Sie die Zigaretten doch schon bezahlt hatten" und noch ne Menge mehr small talk.

An diesem Morgen war der Tag (im positiven Sinn) gelaufen.

Fazit: wahre Schönheit kommt von innen (im Gegensatz zur Ware Schönheit).

Das gilt übrigens auch für die Perserin, über deren Äußeres Du Dich eben beklagt hast.

Es gibt übrigens noch eine Reihe mehr interessante Wege, auf denen Du erst Gedanken ergehen und danach Dich in Deinen Gedanken ergehen lassen kannst.

Aber jetzt wird es mir allmählich endgültig zu blöd, mir für Deinen Blog die Finger wund zu schreiben.

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