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[journal]

Bettler in Bonn


Heute war ich mal wieder in Bonn. Treffen der engen Familie. Eltern, Kinder, Partner und Kindeskinder. Altogether acht Personen. Als wir am Bahnhof vorbeifuhren, dachte ich an 1981. In dem Moment meinte ich, dass mein letzter Bonnbesuch ein Vierteljahrhundert zurücklag (stimmt nicht ganz bin 1984 mit dem 65er-Rahmen Gazellerad und um die 55 Kilo Gepäck auf dem Weg in die Türkei durchgeradelt). Im Oktober 1981 war die Friedensdemo im Hofgarten. Mit angeblich 300.000 Teilnehmern. Ich bin mit dem Zug aus Duisburg mit einigen Klassenkameraden angereist. Aus irgendeinem Grund wollte ich damals dabeisein, Politik war mir auch schon damals äußerst suspekt, egal ob die der Friedensbewegung oder die der Bundesregierung. Es hat ja dann auch absolut nichts gebracht, für mich war es ein Kollektiverlebnis wie für viele andere später die Love Parade, die ich mir dann so ziemlich gespart habe. Die Demo hat mir bestätigt, dass ich es mit Massenaufläufen nicht so habe.

Back to today. Die ersten Bettler - das waren Professionelle - sahen wir am Eingang zum Münster. Sie hatten rote Köpfe, hielten die Tür auf und waren hilfs- und auskunftsbereit. Anschließend saßen wir in einem Café-Restaurant am Marktplatz, die Sonne war gerade dabei den Kampf mit der dichten Wolkendecke zu gewinnen und blinzelte zu uns runter. Der nächste Bettler, ein junger, humpelnder Mann um die zwanzig mit Narben auf den Oberarmen erschien auf der Bildfläche. Seine story war simpel, er hatte sie schon oft erzählt. Von den Eltern in früher Jugend verlassen, viele Jahre in Waisenheimen zugebracht, wartete er jetzt schon seit Wochen auf einen Termin mit dem Sozialamt. Mein Vater gab ihm etwas, ich nicht, in solchen Situationen mache ich immer so Abwägungen, der Typ war jung, seine story war Quark, außerdem mag ich es nicht direkt angesprochen zu werden, da wird einem ein Freiheitsgrad genommen, den ich nicht hergeben will. Und dann ist es natürlich so, dass Bettler, die direkt ansprechen eine wesentlich höhere Erfolgsquote haben als die, die nur dasitzen mit ihrem Plastikbecher. Will sagen, der kommt auch ohne mich über die Runden. Und immer wieder dieser realistisch-brutale Gedanke, dass er bestimmt nicht mit dem Betteln aufhört und einen anderen Weg sucht, wenn ich ihn auch noch unterstütze. Klingt jetzt zynisch, aber dadurch, dass ich ihm nichts gebe, gebe ich ihm eher seine Würde zurück als dadurch, dass ich ihm ein Almosen gebe. Das er natürlich sowieso versäuft. Wer will es ihm verdenken.

Mein bester Freund gibt immer nur dem ersten Bettler, der ihm am Tag über den Weg läuft was, das hat etwas Calvinistisches, im Sinne von the early bird catches the worm, aber das ist bestimmt nicht das schlechteste Arrangement für beide Seiten.

Auf dem Markplatz war da auch noch ein Quetschkommodenspieler aus südlichen Gefilden. Der Sohn meiner Schwester ging los, ihm etwas zu geben. Als der Mann später die Runde der Tische machte, erkannte er Jonas wieder und bedankte sich aus der Ferne. Was man von dem jugendlichen Bettler nicht sagen konnte. Er kam wieder und hatte vergessen, dass er uns schon mal "abkassiert" hatte.

Und dann war da noch der Typ, der etwas von einem Nudelsalat für zwei neunzig oder drei neunzig schwafelte, den er sich vom Erbettelten kaufen wollte. Er war etwas angeschickert. Als ich ihm sagte, wir hätten gerade schon einem seiner Kollegen unter die Arme gegriffen, wurde er ausfallend. Beschimpfte mich, dass ich ihm ja sowieso nix gegeben hätte, womit er natürlich Recht hatte. Am Nebentisch provozierte er ebenfalls und es kam nur deswegen nicht zum showdown weil die Frauen am Tisch einschritten. Er bekam später noch einen Fünf-Euroschein oder mehr von einem älteren Mann.


 





 
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