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[music, concerts]

Fehlfarben in Frankfurt


Peter Hein war sichtlich not amused, dass das Konzert ganz kurzfristig (vielleicht acht Stunden vor Einlass) von der geräumigen Batschkapp in den intimeren Klubkeller des Nachtlebens verlegt worden war. Er hätte schon vor weniger Leuten in der Batschkapp gespielt und Frankfurt wäre ja sowieso früher ihre Stadt gewesen.

Aber bevor es losging mit der zentralen Band der Neuen Deutschen Welle, heizte uns ein Septett aus Bremen ein: Schwarz auf Weiss. Eine funkige, laute und spritzige Angelegenheit. Der Sänger strotzte nur so vor Energie und Selbstdarstellungslust. Die Texte waren in deutsch. Simpel aber gut. Punk und NDW waren nicht weit. Die beiden Bläser (Saxofon und Trompete) setzten das I-Tüpfelchen auf den Sound, der hauptsächlich von der Gitarre und den Keyboards bestimmt war. Am Ende gab es ein langes, hypnotisches gejammtes Stück, dass meinetwegen noch eine halbe Stunde hätte weitergehen können.

Ich befürchtete nun schon, dass die Fehlfarben ihre Vorgruppe, die fast eine Generation jünger war als sie, nicht würden toppen können, aber da hatte ich mich glücklicherweise getäuscht. Obwohl es eine Weile dauerte bis die Band sich warmgespielt hatte. Die ersten Lieder waren von der letztjährigen Reunionplatte Knietief im Dispo und ihnen fehlte etwas der Biss. Zudem schrie Hein am Anfang ziemlich unverständlich ins Mikro und selbst ein Stück wie Grauschleier, das ziemlich hingerotzt wirkte und dem das Saxofon am Ende schmerzlich abging, war nur ein blasser Abklatsch von alten gloriosen Zeiten. Es fehlte ein bisschen die Lässigkeit und Schnoddrigkeit. Im Laufe des Abends tastete man sich jedoch vorsichtig zurück in die Anfänge der Band und der punkigen Vorbands und die vorderen Reihen pogeten wie als wären gerade die Achtziger angebrochen. Ihren einzigen Hit (den sie ziemlich hassen) spielte die Band glücklicherweise nicht. Anstattdessen die wesentlich besser zur Gruppe passende Persiflage mit der das letzte Album endete: Sieh Nie Nach Vorn,

Was hab ich denn da vorn verloren?

Es fiel auf, wieviel Spaß es den Musikern machte zusammen live zu spielen, sie lächelten sich dauernd untergründig-geheimnisvoll an. Insbesondere die einzige Frau, die junge gleichzeitig burschikose und zierliche, kraftvoll und präzise auf die Felle und Becken eindreschende Saskia von Klitzing, schien permanent mit Hein und den anderen Urgesteinen ganz natürlich zu flirten.

Im Laufe des Abends wurden dann alle meine Lieblingslieder bis auf Das war vor Jahren (glaube ich) von Monarchie und Alltag gespielt. Neben Grauschleier sind das Hier und Jetzt, Das sind Geschichten, Gottseidank nicht in England, Apokalypse (ursprünglich Ernstfall betitelt und von Heins Punkband Mittagspause) und am Ende des offiziellen Sets das grandiose atmosphärische Paul ist tot, das mich immer so unheimlich an die Cure erinnert, ohne die pathetisch düstere Stimme von Robert Smith. Bei diesem Lied verließen dann die Bandmitglieder eines nach dem anderen die Bühne, angefangen mit Peter Hein. Thomas Schwebel spielte am Ende das repetitive rhythmische Riff für eine Weile ganz alleine bis auch er verschwand.

Nach einer Weile kamen sie dann wieder, Hein war es wohl doch etwas zu warm geworden und er hatte sich des braunen Anzugs und des oben weit aufgeknöpften orangen Hemdes, das nonchalant seine haarlose Brust ausstellte, entledigt und war nun im T-Shirt. Es wurden dann noch mehrere großartige ältere Punknummern gespielt, u.a. Große Liebe/Maxi von Thomas Schwebel aus S.Y.P.H.-Tagen, damals noch Industriemädchen betitelt mit dem genialen Zeilenpaar:

Beim Kernkraftwerk, da haben wir uns geliebt, neben uns hat leise der stille Brüter gepiept.

Abgeschlossen wurde die eindrucksvolle Zeitreise zurück mit Alte Pizza von der NDW-Dada-Avantgardetruppe Der Plan. Der passend zum Lied leicht in die Breite gegangene Pyrolator Kurt Dahlke, der die meiste Zeit des Konzerts fast unbeweglich ernst in der Ecke an seinem Synthesizer rumgemacht hatte, sang nun vom Charme der ollen Pizza und tanzte wie ein Verrückter mit herumwirbelnden Armen dazu. Ein rundum gelungenes Konzert. Ich freue mich schon auf das nächste Mal.

P.S. Andreas, den ich auf dem Konzert traf, hat hier seine Impressionen niedergeschrieben.

P.P.S. Eine seltsame, die Konzeptlosigkeit der Band anklagende Besprechung in der Frankfurter Neuen Presse.


 
 

Wie bitte? »Das Publikum quittierte das weitgehend mit Gleichgültigkeit.« (FNP)

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