25. Mai 2003 Ließen sich Überraschungen personifizieren, Howe Gelb wäre vermutlich ihre liebste Verkörperung. Der Individualist aus Arizona tritt in immer neuen Konstellationen auf, und das einzige, was dabei Bestand hat, sind Gitarren und eine zügellose Spontaneität. Wie das aktuelle Album "The Listener" beginnt auch das sehr intime Konzert mit einer verträumten Klaviereinleitung, zunächst nur von einem Kontrabaß begleitet. Dazu spielt Gelb seltsam kratzende Geigen-Klänge von CD ein, die sich bald zu einem romantischen Streichorchester formieren. "The piano is stealing Lou Reed Licks", raunt er im nächsten Stück, "Licks that he probably stole." Seine verschattete Stimme entwickelt dabei den lakonischen Tonfall Reeds, die Musik orientiert sich indes eher an der nuancierten Verspieltheit eines versöhnlichen Tom Waits. Dank knarzendem Gesang, chansonartigen Klavierimpressionen und jazzgetränktem Baß wirken selbst schwelgerische Streicher-Zuspielungen niemals kitschig.

Zumal der liebenswert chaotische Charismatiker Gelb gezielt allzu selige Stimmungen unterminiert. Mal greift er in die Saiten des Flügels, mal wirft er eine handvoll CD-Hüllen hinein, mal jagt er federnde Akkordfolgen seiner schrottreifen Westerngitarre für wenige Takte durch den Verzerrer und läßt sie rockig aufheulen. Abenteuerliche Stimmungswechsel kündigen sich zuweilen durch instrumentale Zwischenspiele an, in denen Gelb fröhlich kubanischen Rumba oder Tango auf dem Klavier improvisiert, während die Band neben ihm lustig swingt. Gemeinsam verdichten sie die Atmosphäre zu fast hörspielartigen Szenen, gebrochen durch eine stets präsente Ironie, die kaum etwas, am wenigsten sich selbst, ernst zu nehmen scheint. Eine entspannte Session wie auf der Veranda irgendwo im Süden der Vereinigten Staaten, ein früher Morgen in Paris, ein Tag in Big Apple: "New York, it's good to have you there", findet Gelb, "there's something more you have now that isn't there."

Berühmt wurde Howe Gelb mit Giant Sand, der legendären, mehrfach ausgezeichneten Wüstenrock-Band. In den vergangenen zehn Jahren etablierte er nebenbei einige andere Projekte, oft mit seinen Langzeitpartnern John Convertino und Joey Burns, die inzwischen mit ihrer eigenen Gruppe Calexico Erfolge feiern. Gelbs neues Werk "The Listener" entstand während eines halbjährigen Aufenthalts in Aarhus und präsentiert unter dem vielsagenden Pseudonym Howe Home wieder mal eine neue Formation: Neben dem einfühlsamen Kontrabassisten Thorger Lund und dem grandios filigranen Perkussionisten Peter Dombernowsky entlockt Anders Pedersen seiner Mandoline und Slide-Gitarre feinsinnige Harmonien und Soli. Marie Frank, die im Vorprogramm eigene Songs vorstellen durfte, übernimmt mit Engelsgesang und görenhafter Attitüde eine Art Gegenpol zum subversiven Sänger und Bandleader.